Kleine Geschichte der Staudengärtnerei Fehrle
Einleitungstext
Zeitreise: Kleine Geschichte der Stauden Gärtnerei Fehrle
Gegründet wurde die Gärtnerei von Johann Friedrich Weiß, geb. 1813 in Pfullingen. Das genaue Gründungsdatum ist nicht bekannt, laut Überlieferung spätestens 1857, vermutlich aber eher, bereits um 1850.
Zwei schöne Zeugnisse liegen vor: eine Aufstellung der Gärtnereien in Gmünd nennt für 1863 bereits 3 bis 4 angestellte Gärtner von Weiß. Zum andern eine Zeitungsnotiz aus der gleichen Zeit: anlässlich eines Besuches der württembergischen Königin in Gmünd „überreichte Gärtner Weiß Ihrer Majestät ein prachtvolles Blumengebinde“ – er muss also wohl seiner Zunft vorgestanden haben.
In dieser Zeit versorgte die Gärtnerei die Kleinstadt mit allem, was damals eine Gärtnerei zu bieten hatte: Gemüse, Obst, Blumen, in der Regel auch kleine Dienstleistungen.
Die Gärtnerei lag am Bahnhof, das erste Grundstück war ca 4000 qm groß, ein erstes Gewächshaus – ein Pultdachhaus, dürfte aus den ersten Jahren der Gärtnerei datieren.
Die Gärtnerei wurde an den Sohn Wilhelm Weiß übergeben, vermutlich zwischen 1875 und 1880. Wilhelm Weiß starb bereits 1883, über ihn ist kaum etwas bekannt.
Seine Witwe Anna Katharina suchte und fand einen Betriebsleiter: Jakob Israel Fehrle, Kunst- und Handelsgärtner aus Plieningen.
Der Begriff Kunst- und Handelsgärtner war eine deutliche Abhebung von anderen Gärtnern und Gärtnereien: Pflanzen wurden „künstlich“ durch Stecklinge oder Veredlung im „künstlichen“ Gewächshausklima vermehrt – das konnten damals die wenigsten Gärtner. Und es wurde auf Handelsbeziehungen hingewiesen – man verkaufte nicht nur Eigenproduktion, sondern kaufte auch in anderen Gärtnereien ein, unter den damaligen Kommunikations- und Verkehrsbedingungen schon eine besondere Leistung. Gärtner Fehrle war tüchtig – also wurde er auch geheiratet!
Die Zeit um die Jahrhundertwende war für Gärtnereien eine glückliche Zeit – damals entstanden etliche große, heute noch existierende Betriebe. So nahm auch die Gärtnerei Fehrle einen weiteren Aufschwung, es wurden bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigt, über 3000 qm Gewächshausfläche entstand im Betrieb, es gab verschiedene Außenflächen und ein Obstgut. Ein eigenes Blumengeschäft – das erste in Gmünd – entstand am Marktplatz.
Aber nicht nur die eigene Produktion wurde verkauft, es gab Handelsbeziehungen nach Italien, Holland, Belgien und Südfrankreich, Azaleen wurden in Dresden gekauft, Gehölze in Holstein.
Die Staudenproduktion war bereits damals ein eigener Schwerpunkt: der erste Katalog datiert aus 1908, der älteste noch vorliegende aus 1920? und enthält ca. 600 verschiedene Stauden. Zu der deutschen Staudenszene wurden intensive Kontakte gepflegt, so gab es sehr freundschaftliche Beziehung zu Arends in Wuppertal und Foerster in Potsdam. Jakob Fehrle zählte zu den Gründern des württembergischen Gärtnereiverbandes und war später sein Ehrenmitglied.
Anfang der 20er Jahre übernahm Alfred Fehrle den Betrieb – und kam in schwierige Zeiten. Er war ein ausgezeichneter Botaniker, erweiterte insbesondere das Staudensortiment, hatte aber auch ein Auge für besondere Gewächshauspflanzen, Orchideen und seltene Gehölze.
Aber Weltwirtschaftskrise, Nazi-Regime, Weltkrieg und die Folgen brachten den Betrieb an den Rand seiner Existenz. In der Kriegswirtschaft musste Alfred Fehrle Gemüse produzieren, das wollte und konnte er nicht. Seine pflanzlichen Lieblinge waren verboten und wurde nur auf Sparflamme minimal erhalten. Ein schöner Brief an Gräfin von Zeppelin, mit der er auch im Austausch stand, endet: … ihr immer noch leider Gemüsegärtner Alfred Fehrle.
Aber auch in dieser Zeit wurde die Beteiligung an der ersten Reichsgartenschau in Stuttgart mit Medaillen bedacht, wurden Stauden und Gartenpflanzen in ganz Süddeutschland verkauft. Auch Dienstleistung wurde über weite Entfernung geleistet, so wurde in den Kuranlagen von Bad Mergentheim gearbeitet, an den neu entstandenen Autobahnen wurden Pflanzungen angelegt.
Nach dem Krieg erfolgte der mühsame Wiederaufbau. Die Gärtnerei wurde ab 1950 von Margarete Hokema, der Tochter Alfred Fehrles und ihrem Mann Eggo Hokema weitergeführt. Eggo Hokema kam aus Ostfriesland, hatte während seiner Lehr- und Wanderjahre 1938/39 in der Gärtnerei in Gmünd gearbeitet. Die Gärtnerei wurde vom Bahnhof weg in den Westen der Stadt verlegt, durch Eggo Hokema erfolgte die Umwandlung der Gärtnerei in eine reine Staudengärtnerei.
Die alte Größe erreichte der Betrieb nicht mehr, dazu waren auch die Flächen zu klein. Aber auch in dieser Zeit war der Betrieb bekannt für gute Qualitäten und absolute Verlässlichkeit. So war er auch in dieser Zeit ein gern gesehener Lieferant von Gartenschauen – hier kommt es auf absolute Sortenechtheit an. Ein kleines Highlight aus der Zeit: Weltausstellung Expo 1970 in Osaka – der deutsche Pavillon wurde mit mehreren Lieferungen Fehrle Stauden begrünt!
Enge Verbindungen zu führenden Staudenzüchtern wie Foerster in Potsdam, Pagels in Leer/Ostfriesland und anderen Züchtern führten zu interessanten Sortimentserweiterungen und Schwerpunkten in der Produktion.
1980 dann der nächste Generationenwechsel: Jakob Hokema übernahm den Betrieb. Dieser lag mittlerweile in vollständig bebautem Gebiet, so dass eine Aussiedlung notwendig wurde. Bereits 1983 wurde am heutigen Standort das erste Grundstück erworben, die Produktion dort startete im Herbst 1985.
Der Betrieb wurde mehrfach erweitert auf seine jetzige Größe von ca. 8 ha. In dieser Zeit wuchs auch das Sortiment von 800 Arten und Sorten auf ca. 1800 A+S.
Der Vertriebsweg blieb – es wurden nur Fachbetriebe beliefert, Garten- und Landschaftsbau, Gartencenter, Baumschulen. Die Belieferung von Baumärkten wurde nach 2000 eingestellt, zu unterschiedlich waren die Qualitäts- und Sortimentsansprüche zum gehobenen Fachhandelsbereich.
1997 kam aus dem Betrieb heraus die richtungsweisende Initiative zur Gründung des Stauden Ring, eine Zusammenarbeit von 8 Staudengärtnereien in Vermarktung und Produktion – erfolgreich bis heute.
Internationale Kontakte trugen zum Erfolg bei, ob Kontakte nach England, Einkauf in Holland oder Belgien, Orchideenjungpflanzen aus Kanada, Produktion in Osteuropa – die internationalen Beziehungen sind auch in der Gärtnerei Alltag.
Parallel dazu blieb aber das alte gärtnerische Knowhow erhalten: eigene Jungpflanzenproduktion, eigene Mutterpflanzenbestände und alle technischen Einrichtungen zur Vermehrung von Pflanzen sind vorhanden und werden genutzt. Hier kann man sich an die Anfänge des „Kunst- und Handelsgärtner“ wieder erinnern!
Dazu ein großer Stamm an ausgebildeten Gärtnern. Investitionen in die Zukunft nicht nur im technischen Bereich: zwischen 1980 und 2020 wurden ca. 100 Praktikanten und Auszubildende mit gutem gärtnerischem Knowhow ausgestattet.
2017 wieder ein Generationenwechsel: Christoph Hokema übernahm nach etlichen Praktika, Studium und gärtnerischer Tätigkeit im In- und Ausland die Gärtnerei.
Seither erfolgten etliche Investitionen, die z.T. in weitere Modernisierung der Anbaumethoden gingen, aber auch in umweltschonende Maßnahmen wie Gießwasserrecycling und Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks, so wurde Fotovoltaik und Elektrofahrzeuge weiter ausgebaut, Torf ersetzt, Dünger und chemischer Pflanzenschutz weiter reduziert.
Im Vertrieb wurde der seither nur marginal vorhandene Absatz über den Webshop deutlich ausgebaut. Dieser wurde nun auch für Privatkunden eröffnet, nicht nur einzelne Pflanzen sind im Angebot, sondern auch komplett zusammengestellte Pflanzungen, wobei besonderer Wert auf die Langlebigkeit und Pflegearmut gelegt wurde.
Lässt sich nun im Rückblick ein roter Faden finden?
Ja – hohes gärtnerisches Knowhow, zeitgemäße Technik gepaart mit Traditionsbewusstsein. Ehrenamtliche Mitarbeit in den gärtnerischen Organisationen, der Blick über den Tellerrand verbindet alle Familienmitglieder vom Gärtner Johann Friedrich Weiß bis zum Bachelor sc. Christoph Hokema.
Und das Wichtigste: Freude an Pflanzen, Neugierde auf neue Züchtungen oder Freude an seltenen Pflanzen in der Natur gleichermaßen.